Als die Schuhe noch Stahlkappen hatten

Germania-Legenden erinnern sich

Sie sind Legenden im SV Germania, Helden der heimischen Fußballgeschichte. Und die interessantesten Gesprächspartner, die man sich vorstellen kann. Auf die Alten zu hören, das sei den jungen Spunden im Verein ans Herz gelegt. Ein ausgiebiges Schwätzchen mit den Helden von einst ist kurzweilig, amüsant, lehrreich und es zeigt, welch hohen Stellenwert der Fußball im Hühnerdorf hatte in jenen Zeiten, als die Alten von heute noch die jungen, heißspornigen Kicker waren. Erwin buchwald, Hugo Wilsmann, Josef Gehle, Heinrich Gehle, Fritz Deppe, Alfons Klaas und Franz Funke beim gemeinsamen Schwätzchen zu lauschen – es ist ein Erlebnis. Der 86jährige Hugo Wilsmann etwa, bringt gleich auf den Punkt, warum es früher vielleicht doch besser war und die gute alte Zeit ihren guten Ruf zu Recht hat: „Es war viel kameradschaftlicher, wir haben einfach besser zusammen gehalten, ein paar Stiefel Bier nach dem Spiel geleert. Die Fabrikarbeiter hatten doch immer noch nen Groschen über für uns Spieler. Und es wurde immer gesungen – aber eins, das bleibt bestehen, Germania wird niemals untergehen.“

 

Abenteuerlich war’s damals vor dem Krieg, wenn Auswärtsspiele angesagt waren. Mit dem Rad, so sie eins hatten, fuhren die Spieler los, waren bestens aufgewärmt, wenn der Anpfiff ertönte. Ein Schweinewagen mit Zugmaschine davor, einfach ein paar Bänke auf den Anhänger, und schon ging’s los Richtung Stromberg. Da wurden im Spätsommer im Vorbeifahren reife Pflaumen gepflückt und am Stromberger Berg ging gar nichts mehr. Die Spieler mussten absteigen, ihr skurriles Transportmittel bis auf die Kuppe hoch schieben und dann konnte die Fahrt fortgesetzt werden um Meisterschaftsspiel. Ebenfalls heute kaum nachvollziehbar: unterwegs mit dem Holzkocher-Auto. Treibstoff gab’s am Wegesrand, die Spieler sammelten Holz, heizten nach und erreichten stets rechtzeitig die auswärtigen Spielfelder. „Früher war viel mehr Idealismus dabei“, erinnert sich die Herrenrunde und weiß noch von den Stahlkappen an den Fußballschuhen, kostbare Ausrüstungsgegenstände, die pfleglichst behandelt wurden. Schließlich, die Kombination aus Ledersohle, Lederstollen und Stahlkappe mussten jahrelang halten. Wie gut gerade Klaas mit dem Schuhwerk umzugehen wusste, welchen Bums seine Schüsse hatten, auch diese Erinnerungen leben weiter. In Stromberg und Clarholz etwa zerlegte der Erfolgsstürmer mit kräftigen Schüssen das Tor, die Latten brachen einfach auseinander. In Rheda gingen die Bälle kaputt und es machte das Gerücht die Runde: „Der Klaas hat Nägel in den Schuhen“, der Schiri kam sogar kontrollieren, ob denn wirklich alles mit rechten Dingen zu geht. Ersatzbälle in jenem Spiel holte man sich bei den englischen Besatzern. Überhaupt, in englischer Gefangenschaft konnten Westerwieher Kicker ihrer Sportleidenschaft frönen, sie durften Handball und Fußball spielen und kamen so gut trainiert zurück in die Heimat. „Zeit wo bist Du geblieben“, sagte Klaas, der alle 14 Tage zum Schuster musste, um die strapazierten Treter aufmöbeln zu lassen, und schon kommt die nächste Erinnerung. In Westerloh war’s, als Alfons glattweg den Torhüter k.o. geschossen hat. Ja, und in Friedrichsdorf saß der Ball nach einer gewaltigen Wumme im Torgestänge fest, so fest, dass gleich zwei kräftige Kicker nötig waren, das Leder wieder hervorzuziehen. 7 Millionen Arbeitslose gabs, als der Verein gegründet wurde, und einer der ersten, die Fußball spielen wollten, war Hugo Wilsmann, als 11jähriger kam er sofort zur Germania, blieb seinem Verein bis heute treu und denkt gerne zurück an die Zeiten, da 1000 oder auch mal 1400 Zuschauer die Spiele verfolgten. Der Eintritt kostete 50 Pfennig, viel Geld für die Bevölkerung, doch sie kamen gerne, um ihre Jungs zu unterstützen. Wo heute Millionensummen für begehrte Spieler fließen, da gab es vor dem Krieg eine andere Form der besonderen Auszeichnung. Rietberg lieh sich einen Westerwieher Spieler aus – und der wurde zu Hause mit dem Auto abgeholt und auch wieder zurück gebracht. Ein ganz besonderer „Luxus“ war der ausrangierte Eisenbahnwaggon. Der irgendwann am Sportplatz an der Schule 1 aufgestellt wurde, endlich konnte man sich vor Ort umziehen und bei Regen auch mal trocknen. „Früher war der Idealismus groß, von wegen Handaufhalten. Und die Spieler hatten Respekt vor dem Schiedsrichter, da gab es keine Widerworte. Platzverweise kamen kaum vor, Verwarnungen nur selten, wir wussten uns zu benehmen beim Spiel“, ist sich die Herrenrunde einig und meint mit Blick auf die WM-Partie: „Trikot ziehen – sofort runter vom Platz.“